Inklusion im Ruderboot

(Donau TV 8/2016)
Pararudern (Handicaprudern)
Das deutsche Pararudern, also die Ausübung des Rudersports durch Menschen mit körperlicher und / oder geistiger Behinderung wurde maßgeblich in Würzburg entwickelt, unter Leitung von Helmut Greß, ehem. Lehrer am Würzburger Zentrum für Körper- und Mehrfachbehinderte (ZfK) und seit fast 40 Jahren in den Würzburger Rudervereinen Leiter der Inklusion.

Unter „Inklusion“ verstehen wir Angebote und Strukturen, die alle Menschen selbstverständlich willkommen heißen. Inklusion geht davon aus, dass jeder Mensch anders ist. Dies bedeutet für den ARCW, dass die Angebote und Strukturen so gestaltet sind, dass sich jede/r individuell einbringen und entfalten kann und eine gleichberechtigte Teilhabe Aller gewährleistet wird 

Auf Veranlassung von Helmut Greß wurde 1980 eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem ZfK und der damaligen Würzburger Rudergesellschaft „Bayern“ (WRGB) mit dem gemeinsamen Ziel des Inklusionssports geschlossen. Unter Anleitung von Helmut Greß konnten bis heute mehrere dutzend Parasportler den Rudersport für sich erschließen. Im Zuge dessen wurden grundlegende technische und trainingsmethodische Erkenntnisse zum Pararudern erarbeitet, die heute weltweit Anwendung finden. Das Würzburger Handicaprudern unter Leitung von Helmut Greß ist daher ein äußerst anerkannter und geschätzter Pionier im Behindertenrudern des Deutschen Ruderverbandes. Durch unterschiedliche Bootsklassen lässt sich jedes Rudererlebnis individuell gestalten. Die Möglichkeiten des ARCW bilden die ideale Basis für eine gesunde und vielfältige Freizeitgestaltung.

Mit seiner Sparte Inklusion bietet der ARCW beste Voraussetzungen für die langfristige Sicherung und Weiterentwicklung des Pararuderns in Würzburg.
Mit der Anschaffung eines breiteren B-Vierers im Frühjahr 2015 und vor allem mit der Gewinnung weiterer Übungsleiterinnen und Übungsleiter, die sich neben Helmut Greß speziell um behinderte Ruderkameraden kümmern, sind sowohl die materiellen, als auch personellen Voraussetzungen geschaffen worden. Belohnt wurde dieses Engagement durch den Inklusionspreis der Regierung von Unterfranken 2017 im Bereich Kultur, Umwelt und Sport.
Steglifter 2019

Steglifter für Pararuderer

Die Würzburger Pararuderer sind Pioniere: Seit Anfang der 1980er Jahre entwickeln sie die Sportart für Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen. Hierbei standen die Sportler mit massiven Gleichgewichts- und Koordinationsproblemen bislang stets vor der Herausforderung, von einem schwankenden Bootssteg aus in ein noch wackeligeres Boot ein- und aussteigen zu müssen, heißt es in einer Pressemitteilung. „Wir sind sehr froh, dass das jetzt ein Ende hat!“, so Helmut Greß, stellvertretender Vorsitzender Inklusion der Rudergemeinschaft Olympos Würzburg (ROW). Innovativer Personenkran ebnet Parasportlern Weg in Boote Ausschlaggebend hierfür ist der neue Steglifter, ein Personenkran, der nun vom Bootssteg der Universität Würzburg aus betrieben werden kann. Dieser wurde nun seiner Bestimmung übergeben. Bei dem Lifter handelt es sich um ein Modell, das bisher in Schwimmbädern zum Einsatz kommt. Für die Verwendung auf dem Bootssteg wurde dieser mit einem zentralen Stahlträger verstärkt, der die Liftersäule aufnimmt. Der Kran selbst ist mobil und kann nach Gebrauch rasch wieder entfernt werden, damit er den weiteren Ruderbetrieb nicht stört. Greß: „Mit dieser Konstruktion haben wir völliges Neuland betreten, denn es gab dazu in dieser Form weder im Inland noch im Ausland einschlägige Erfahrungen. Und darauf sind wir richtig stolz“. Breite finanzielle Unterstützung Nicht möglich gewesen wäre die Realisierung des Steglifter-Projektes ohne umfassende finanzielle Förderung. So bedankte sich Greß insbesondere bei der Bürgerstiftung Würzburg und Umgebung. Seinen Dank sprach Greß auch dem Sportamt der Stadt Würzburg aus sowie dem Bezirk Unterfranken, die das Projekt ebenfalls unterstützt hatten.
No Limits - Helmut Greß
Ehrung Helmut Greß 2019

Hohe Auszeichnung für Helmut Greß (Mitte) durch den Präsidenten des Bayerischen Ruderverbandes Thomas Stamm (links) im Mai 2019
 

Helmut Greß ist ein bemerkenswerter Mensch. Er gehört zu jenen Ruderern, welche die wesentlichen Grundlagen des Pararuderns als Gesundheitssport, wie auch als Leistungssport erarbeitetet haben. Für seine „hervorragenden internationalen Erfolge in der Heranbildung von Rudermannschaften“ verlieh ihm der DRV nun die Ehrennadel für Rudertrainer in Gold. Zugleich ehrte ihn der Bayerische Ruderverband (BRV) „in Würdigung der besonderen Verdienste um den Rudersport in Bayern“ mit der Verleihung seiner höchsten Auszeichnung, der Verbandsnadel mit Goldzweig.

Grundlagenarbeit ab Anfang der 1980er Jahre

Der ausgebildete Sonderschullehrer und erfolgreiche Rennruderer Helmut Greß vermutete bereits in den späten 1970er Jahren das breite therapeutische und pädagogische Potenzial des Rudersports für Menschen mit unterschiedlichen körperlichen- und geistigen Behinderungen. Als Lehrer am Zentrum für Körperbehinderte in Würzburg (ZfK) gelang es ihm im Jahre 1980 die Schulleitung für die Gründung einer Schülerneigungsgruppe Rudern unter seiner Leitung zu gewinnen und erste Strukturen für das Pararudern in Würzburg zu schaffen. Da es zu dieser Zeit kaum Erfahrungen auf dem Gebiet des „Behindertenruderns“ gab, leistete Helmut fortan Pionierarbeit, beginnend mit der Erarbeitung geeigneter Ausbildungsformen für Menschen mit unterschiedlichen körperlichen- und geistigen Handicaps, mit der Entwicklung nötiger technischer Modifikationen rund um das Bootsmaterial sowie mit der Anpassung trainingsphysiologischer Methoden an die individuellen Bedürfnisse der Parasportler. Seine Erkenntnisse fasste er in der Facharbeit: „Zur Ruderausbildung cerebral-paretisch geschädigter Jugendlicher und die Möglichkeit der Integration in einen Ruderverein“ zusammen. (Erschienen in Heft 16 des „Rudersport“, 1981)

Schnell begeisterten sich immer mehr Schüler des ZfK für den ihnen nun zugänglichen Rudersport. Da zahlreiche ehemalige Schüler auch nach Abschluss ihrer Schulzeit weiter rudern wollten, gründete Helmut Anfang der 1980er Jahre in der ehemaligen Würzburger Rudergesellschaft Bayern (WRGB) eine allgemeine, zunächst rein breitensportlich orientierte „Rudergruppe für Sportler mit Behinderungen“. Über diese kamen zunehmend auch Angehörige anderer regionaler Betreuungseinrichtungen zum Rudersport, etwa vom Blindeninstitut Würzburg. Bald organisierte Helmut für seine Pararuderer neben den wöchentlichen Trainingsstunden auch Wanderfahrten und Ruderlager.

Ab Mitte der 1980er Jahre begann Helmut sein spezifisches Wissen an andere Sonderschulpädagogen zu vermitteln, die durch ihn zum Rudern fanden. Ab 1987 war Helmut als ehrenamtlicher Referent Handicaprudern für den Bayerischen Ruderverband e.V. (BRV) tätig.

Pararudern als Wettkampfsport

Ab den späten 1980er Jahren förderte Helmut das Pararudern zunehmend auch als Wettkampfsport. Zunächst im Rahmen der Vereinsregatten, wo Pararuderer in allen Altersklassen, je nach Einschränkung, in gesonderten oder außer Konkurrenz in den allgemeinen Rennen starteten. Später durch Teilnahmen mit, von ihm betreuten, Mannschaften an Ruderregatten im süddeutschen Raum.

Als die FISA 1993 im Rahmen der Ruderweltmeisterschaften in Racice / Tschechische Republik erstmals Demonstrationsläufe im Pararudern austrug, ging für den DRV unter anderem der von Helmut ausgebildete und betreute Athlet Bernd Fromm an den Start. 1996 vertrat Helmut den DRV auf dem ersten gesamteuropäischen Kongress der FISA zur Förderung des Pararuderns. Ab den Ruderweltmeisterschaften 2002 in Sevilla nahm die FISA offizielle Adaptive-Rennen ins Programm auf. Hier sowie bei den Ruderweltmeisterschaften 2004 (Mailand), den Ruderweltmeisterschaften 2007 (München) und bei den Paralympischen Spielen 2008 in Peking gehörten von Helmut betreute Athleten zum jeweiligen Kader und Helmut dem jeweiligen Trainerteam des DRV an. Sein Größter Erfolg als Trainer war der Gewinn der (einzigen DRV-) Goldmedaille durch Kathrin Wolff, Marcus Klemp, Michael Sauer, Susanne Lackner und Steuermann Arne Maury im LTAMix4+ bei den Ruderweltmeisterschaften 2007 in München, wobei Helmut Greß das Team gemeinsam mit Uli Schönbach betreute.

Nach den Paralympischen Spielen 2008 in Peking zog sich Helmut als Trainer aus dem Hochleistungssport zurück, nicht jedoch vom Pararudern und von seinen Gesundheitssportlern, die er konstant weiter betreut

Rudern für alle!

2015 gründete Helmut mit ehemaligen Spitzensportlern und Ruderbegeisterten die Rudergemeinschaft Olympos Würzburg (ROW) e.V. mit ihren Schwerpunkten Gesundheitsrudern, Inklusion und Integration. Deren progressives, mehrfach ausgezeichnetes Konzept „Rudern für Alle“ hat Helmut Greß mit entwickelt. Als stellvertretender Vorsitzender Inklusion der ROW setzt er sich weiterhin maßgeblich für das Pararudern ein. Jüngste Erfolge sind die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches der Würzburger Pararuderer, der Realisation eines Lifters, der stark gehandicapten Parasportlern einen barrierefreien Ein- und Ausstieg in die Ruderboote ermöglicht sowie die Anschaffung eines neuen C-Gig4+ für die Pararuderer der ROW. Der Name des neuen Bootes entspricht einer Grundhaltung des Pararuder-Pioniers „NO LIMITS!“.

Seit die ROW Ende 2019 ihre Aktivitäten einstellen musste, ist das Pararudern unter Helmut Greß und seinen Helfern beim Akademischen Ruderclub Würzburg (ARCW) angesiedelt und wird dort nahtlos fortgeführt.