Das deutsche Pararudern,
also die Ausübung des Rudersports durch Menschen mit körperlicher und /
oder geistiger Behinderung wurde maßgeblich in Würzburg entwickelt,
unter Leitung von Helmut Greß, ehem. Lehrer am Würzburger Zentrum für
Körper- und Mehrfachbehinderte (ZfK) und seit fast 40 Jahren in den
Würzburger Rudervereinen Leiter der
Inklusion.
Unter „Inklusion“ verstehen wir Angebote und Strukturen, die alle
Menschen selbstverständlich willkommen heißen. Inklusion geht davon
aus, dass jeder Mensch anders ist. Dies bedeutet für den ARCW, dass die
Angebote und Strukturen so gestaltet sind, dass sich jede/r
individuell einbringen und entfalten kann und eine gleichberechtigte
Teilhabe Aller gewährleistet wird
Auf Veranlassung von Helmut Greß wurde 1980 eine
Kooperationsvereinbarung zwischen
dem
ZfK und der damaligen Würzburger
Rudergesellschaft „Bayern“ (WRGB) mit dem gemeinsamen Ziel des
Inklusionssports geschlossen. Unter
Anleitung von Helmut Greß
konnten bis heute mehrere dutzend Parasportler den Rudersport für
sich erschließen. Im Zuge dessen wurden
grundlegende technische und trainingsmethodische Erkenntnisse zum
Pararudern erarbeitet, die heute weltweit Anwendung finden. Das
Würzburger Handicaprudern unter Leitung von
Helmut Greß ist daher ein äußerst anerkannter und geschätzter Pionier
im Behindertenrudern des Deutschen Ruderverbandes. Durch
unterschiedliche Bootsklassen
lässt
sich jedes Rudererlebnis individuell gestalten. Die
Möglichkeiten des ARCW bilden die ideale Basis für eine gesunde
und vielfältige Freizeitgestaltung.
Mit seiner Sparte Inklusion bietet der ARCW beste
Voraussetzungen für die langfristige Sicherung und Weiterentwicklung
des Pararuderns in Würzburg.
Mit
der Anschaffung eines breiteren B-Vierers im Frühjahr 2015 und vor
allem mit der Gewinnung weiterer Übungsleiterinnen und Übungsleiter,
die sich neben Helmut Greß
speziell um behinderte Ruderkameraden kümmern, sind sowohl
die materiellen, als auch personellen Voraussetzungen geschaffen
worden. Belohnt wurde dieses Engagement durch den Inklusionspreis der
Regierung von Unterfranken 2017 im Bereich Kultur, Umwelt und Sport.
Steglifter 2019
Die Würzburger Pararuderer sind
Pioniere: Seit Anfang der 1980er Jahre entwickeln sie die Sportart für
Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen. Hierbei standen
die Sportler mit massiven Gleichgewichts- und Koordinationsproblemen
bislang stets vor der Herausforderung, von einem schwankenden Bootssteg
aus in ein noch wackeligeres Boot ein- und aussteigen zu müssen, heißt
es in einer Pressemitteilung. „Wir sind sehr froh, dass das jetzt ein
Ende hat!“, so Helmut Greß, stellvertretender Vorsitzender Inklusion
der Rudergemeinschaft Olympos Würzburg (ROW).
Innovativer Personenkran ebnet Parasportlern Weg in Boote
Ausschlaggebend hierfür ist der neue Steglifter, ein Personenkran, der
nun vom Bootssteg der Universität Würzburg aus betrieben werden kann.
Dieser wurde nun seiner Bestimmung übergeben. Bei dem Lifter handelt es
sich um ein Modell, das bisher in Schwimmbädern zum Einsatz kommt. Für
die Verwendung auf dem Bootssteg wurde dieser mit einem zentralen
Stahlträger verstärkt, der die Liftersäule aufnimmt. Der Kran selbst
ist mobil und kann nach Gebrauch rasch wieder entfernt werden, damit er
den weiteren Ruderbetrieb nicht stört. Greß: „Mit dieser Konstruktion
haben wir völliges Neuland betreten, denn es gab dazu in dieser Form
weder im Inland noch im Ausland einschlägige Erfahrungen. Und darauf
sind wir richtig stolz“.
Breite finanzielle Unterstützung
Nicht möglich gewesen wäre die Realisierung des Steglifter-Projektes
ohne umfassende finanzielle Förderung. So bedankte sich Greß
insbesondere bei der Bürgerstiftung Würzburg und Umgebung. Seinen Dank
sprach Greß auch dem Sportamt der Stadt Würzburg aus sowie dem Bezirk
Unterfranken, die das Projekt ebenfalls unterstützt hatten.
No Limits - Helmut Greß
Hohe Auszeichnung für Helmut Greß (Mitte) durch den Präsidenten des Bayerischen Ruderverbandes Thomas Stamm (links) im Mai 2019
Helmut Greß ist ein
bemerkenswerter Mensch. Er gehört zu jenen Ruderern, welche die
wesentlichen Grundlagen des Pararuderns als Gesundheitssport, wie auch
als Leistungssport erarbeitetet haben. Für seine „hervorragenden
internationalen Erfolge in der Heranbildung von Rudermannschaften“
verlieh ihm der DRV nun die Ehrennadel für Rudertrainer in Gold.
Zugleich ehrte ihn der Bayerische Ruderverband (BRV) „in Würdigung der
besonderen Verdienste um den Rudersport in Bayern“ mit der Verleihung
seiner höchsten Auszeichnung, der Verbandsnadel mit Goldzweig.
Grundlagenarbeit ab Anfang der 1980er
Jahre
Der ausgebildete Sonderschullehrer und erfolgreiche Rennruderer Helmut
Greß vermutete bereits in den späten 1970er Jahren das breite
therapeutische und pädagogische Potenzial des Rudersports für Menschen
mit unterschiedlichen körperlichen- und geistigen Behinderungen. Als
Lehrer am Zentrum für Körperbehinderte in Würzburg (ZfK) gelang es ihm
im Jahre 1980 die Schulleitung für die Gründung einer
Schülerneigungsgruppe Rudern unter seiner Leitung zu gewinnen und erste
Strukturen für das Pararudern in Würzburg zu schaffen. Da es zu dieser
Zeit kaum Erfahrungen auf dem Gebiet des „Behindertenruderns“ gab,
leistete Helmut fortan Pionierarbeit, beginnend mit der Erarbeitung
geeigneter Ausbildungsformen für Menschen mit unterschiedlichen
körperlichen- und geistigen Handicaps, mit der Entwicklung nötiger
technischer Modifikationen rund um das Bootsmaterial sowie mit der
Anpassung trainingsphysiologischer Methoden an die individuellen
Bedürfnisse der Parasportler. Seine Erkenntnisse fasste er in der
Facharbeit: „Zur Ruderausbildung cerebral-paretisch geschädigter
Jugendlicher und die Möglichkeit der Integration in einen Ruderverein“
zusammen. (Erschienen in Heft 16 des „Rudersport“, 1981)
Schnell begeisterten sich immer mehr Schüler des ZfK für den ihnen nun
zugänglichen Rudersport. Da zahlreiche ehemalige Schüler auch nach
Abschluss ihrer Schulzeit weiter rudern wollten, gründete Helmut Anfang
der 1980er Jahre in der ehemaligen Würzburger Rudergesellschaft Bayern
(WRGB) eine allgemeine, zunächst rein breitensportlich orientierte
„Rudergruppe für Sportler mit Behinderungen“. Über diese kamen
zunehmend auch Angehörige anderer regionaler Betreuungseinrichtungen
zum Rudersport, etwa vom Blindeninstitut Würzburg. Bald organisierte
Helmut für seine Pararuderer neben den wöchentlichen Trainingsstunden
auch Wanderfahrten und Ruderlager.
Ab Mitte der 1980er Jahre begann Helmut sein spezifisches Wissen an
andere Sonderschulpädagogen zu vermitteln, die durch ihn zum Rudern
fanden. Ab 1987 war Helmut als ehrenamtlicher Referent Handicaprudern
für den Bayerischen Ruderverband e.V. (BRV) tätig.
Pararudern als Wettkampfsport
Ab den späten 1980er Jahren förderte Helmut das Pararudern zunehmend
auch als Wettkampfsport. Zunächst im Rahmen der Vereinsregatten, wo
Pararuderer in allen Altersklassen, je nach Einschränkung, in
gesonderten oder außer Konkurrenz in den allgemeinen Rennen starteten.
Später durch Teilnahmen mit, von ihm betreuten, Mannschaften an
Ruderregatten im süddeutschen Raum.
Als die FISA 1993 im Rahmen der Ruderweltmeisterschaften in Racice /
Tschechische Republik erstmals Demonstrationsläufe im Pararudern
austrug, ging für den DRV unter anderem der von Helmut ausgebildete und
betreute Athlet Bernd Fromm an den Start. 1996 vertrat Helmut den DRV
auf dem ersten gesamteuropäischen Kongress der FISA zur Förderung des
Pararuderns. Ab den Ruderweltmeisterschaften 2002 in Sevilla nahm die
FISA offizielle Adaptive-Rennen ins Programm auf. Hier sowie bei den
Ruderweltmeisterschaften 2004 (Mailand), den Ruderweltmeisterschaften
2007 (München) und bei den Paralympischen Spielen 2008 in Peking
gehörten von Helmut betreute Athleten zum jeweiligen Kader und Helmut
dem jeweiligen Trainerteam des DRV an. Sein Größter Erfolg als Trainer
war der Gewinn der (einzigen DRV-) Goldmedaille durch Kathrin Wolff,
Marcus Klemp, Michael Sauer, Susanne Lackner und Steuermann Arne Maury
im LTAMix4+ bei den Ruderweltmeisterschaften 2007 in München, wobei
Helmut Greß das Team gemeinsam mit Uli Schönbach betreute.
Nach den Paralympischen Spielen 2008 in Peking zog sich Helmut als
Trainer aus dem Hochleistungssport zurück, nicht jedoch vom Pararudern
und von seinen Gesundheitssportlern, die er konstant weiter betreut
Rudern für alle!
2015 gründete Helmut mit ehemaligen Spitzensportlern und
Ruderbegeisterten die Rudergemeinschaft Olympos Würzburg (ROW) e.V. mit
ihren Schwerpunkten Gesundheitsrudern, Inklusion und Integration. Deren
progressives, mehrfach ausgezeichnetes Konzept „Rudern für Alle“ hat
Helmut Greß mit entwickelt. Als stellvertretender Vorsitzender
Inklusion der ROW setzt er sich weiterhin maßgeblich für das Pararudern
ein. Jüngste Erfolge sind die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches
der Würzburger Pararuderer, der Realisation eines Lifters, der stark
gehandicapten Parasportlern einen barrierefreien Ein- und Ausstieg in
die Ruderboote ermöglicht sowie die Anschaffung eines neuen C-Gig4+ für
die Pararuderer der ROW. Der Name des neuen Bootes entspricht einer
Grundhaltung des Pararuder-Pioniers „NO LIMITS!“.
Seit die ROW Ende 2019 ihre Aktivitäten einstellen musste, ist das
Pararudern unter Helmut Greß und seinen Helfern beim Akademischen
Ruderclub Würzburg (ARCW) angesiedelt und wird dort nahtlos fortgeführt.